Lösungen für Starkregenaufkommen | 05-2023

11 Meter lang und 2,55 Meter breit

Im Zeitraum von 2002 bis 2019 gab es in Deutschland 63,9 Starkregenereignisse pro 1.000 Quadratkilometer. Dabei entstanden an etwa 83 pro 1.000 Wohngebäuden Schäden durch Starkregen. Bei den Bundesländern liegen Berlin und Sachsen mit 143,9 beziehungsweise 137,7 Schäden pro 1.000 Wohngebäuden deutlich über dem Bundesdurchschnitt, während Baden-Württemberg die meisten Starkregenereignisse pro 1.000 Quadratkilometer aufweist. Planer im „Ländle“ sehen sich daher in der Verantwortung, insbesondere in der Nähe von Gewässern, Hochwasserschutzmaßnahmen durchzuführen. Neben Dämmen werden häufig Regenrückhaltebecken errichtet, die bei Starkregen große Niederschlagsmengen aufnehmen können und diese dann gedrosselt in nahe liegende Gewässer abgeben können. Ein gutes Beispiel für eine innovative Hochwasserschutzanlage wurde im Frühjahr 2023 in der Gemeinde Mietingen im Landkreis Biberach aus Betonfertigteilen aus unserem Werk errichtet.

In den vergangenen Jahren kam es infolge von Starkregenereignissen im Landkreis Biberach an vielen Gewässern immer wieder zu Hochwasser. Insbesondere in der Gemeinde Mietingen erlangt der normalerweise kaum 1 m breite „Aufhofer Bach“ bei Starkregen durchaus kurzzeitig eine Breite von bis zu 30 m. Aus diesem Grund entschied sich die Gemeinde für den Ortsteil Aufhofen zu umfassenden Hochwasserschutzmaßnahmen am südwestlichen Ortsrand. Projektiert wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH aus Ummendorf und unseren Ingenieuren ein Hochwasserrückhaltebecken mit einem ca. 125 m langen und bis zu 5,5 m hohen Dammbauwerk mit einem integrierten Auslassbauwerk und einer überströmbaren Hochwasserentlastungsanlage. Diese Anlage schließt den natürlichen Talraum ab. Durch die Realisierung des überströmbaren Damms ohne Freibord und flachen sich in die Umgebung gut einbindenden Böschungen konnte die Dammhöhe reduziert werden.

Uwe Sturm von der Bauunternehmung Fritz Schwall aus Laupheim erläutert die Maßnahme: „Bei dem Auslassbauwerk handelt es sich um ein Stahlbetonbauwerk, in dem der Grund- und Betriebsauslass der Hochwasserschutzanlage angeordnet sind. Das Bauwerk hat eine Länge von ca. 11 m und eine Breite von ca. 2,55 m. Durch die parallel zur Böschung geplanten Seitenwände, fügt sich das Bauwerk optisch in den Damm ein. Teil des Auslassbauwerks ist die erste Hochwasserentlastungsstufe in der Form eines Schachtes. Bei Erreichen eines Rückhaltevolumens von 67.000 m³ auf der Höhe von zv = 534,80 müNN kann weiter zufließendes Wasser zunächst über den Schacht zusammen mit dem Drosselabfluss abgeleitet werden. Für die Ableitung des Wassers wurde eine durch den Dammkörper geführte Ablaufleitung DN800 mit einer Länge von ca. 18,5 m vorgesehen. Der Schacht hat eine lichte Breite von ca. 2 m und eine lichte Länge von ca. 1 m. Zum Einstieg in den Schacht ist die Öffnung mit einem aufklappbaren Gitterrost sowie einer Sicherheitssteigleiter mit Fallschutzschiene versehen“, so Sturm.

Abflussbegrenzer für konstanten Abfluss von 0,5 m³/s

Für die Drosselung des Abflusses befindet sich im Bauwerk ein Abflussbegrenzer DN 500. Dieser mechanische, schwimmergesteuerte Schieber regelt den Abfluss aus dem Hochwasserrückhaltebecken, gemäß den hydrologischen und hydraulischen Bemessungen, auf einen konstanten Abfluss von 0,5 m³/s. Zusätzlich wird das Ablaufbauwerk mit einem Notentleerungsschieber DN250 an der vorderen Stauwand und einen Notverschlussschieber DN800 an der hinteren Stauwand des Schachtes ausgestattet. Über die gesamte Öffnungslänge des Bauwerks wurde ein Rechenrost mit einem Stababstand von 12 cm angebracht. Die Rechenfläche beträgt ca. 22 m². Der Rechen wurde im unteren Bereich als Eintritt in das Auslassbauwerk, sowie im oberen Bereich zur Montage und Wartung des Abflussbegrenzers aufklappbar ausgebildet.

Hochwasserentlastung in zwei Stufen

Was passiert nun bei Starkregen? Hierzu Uwe Sturm: „Die Hochwasserentlastung des Rückhaltebeckens erfolgt in zwei Stufen. Nach Erreichen des Vollstaus ZV = 534,80 müNN bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis, springt die erste Entlastung am Auslassbauwerk über den rückwärtigen Schacht an. Ab einer Einstauhöhe von 534,90 müNN, erfolgt dann die planmäßige Entlastung über die 25 m breite Dammscharte der Hochwasserentlastungsanlage im südöstlichen Teil des Dammbauwerks. Insbesondere im Falle einer Überströmung, muss die Hochwasserentlastungsanlage ausreichend sicher ausgebildet sein, sodass es infolge von auftretenden, hohen Fließgeschwindigkeiten zu keiner Zeit zu einer Gefährdung der Gesamtdammstandsicherheit infolge von Erosion kommt. Deshalb wurde ein festintegrierter Betonsporn angeordnet, der eine gleichmäßige Überlaufschwelle und somit gleichmäßige hydraulische Belastung der luftseitigen Dammböschung sicherstellt. Der Betonsporn erhält eine Aussparung in der Oberkante, in die ein Rabattenstein in Splitt eingestellt wird. Bei eintretenden späteren Dammsetzungen kann dieser nachträglich nachjustiert werden“, so Sturm. 

Stahlbetonfertigteile wiegen bis zu 41,5 to

Die Betonfertigteile aus dem Betonwerk Rinninger, aus denen sich das Bauwerk zusammensetzt, sind in vielerlei Hinsicht besonders: Hierzu Niels Ullrich vom Planungsbüro RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH aus Ummendorf: „Die Dimensionen der Bauteile sind schon gewaltig. Die einzelnen Elemente wiegen bis zu 41,5 to und weisen auch keine Standard-Geometrien auf. Wegen der besonderen geologischen Verhältnisse wurde das komplette Bauwerk auf einer Pfahlgründung errichtet. Hierfür wurden die 9 Elemente auf einer 30 cm starken Fertigteilplatte montiert“, so Ullrich.

Perfekt geplant und abgestimmt auf die Anforderungen der Baustelle

Geschäftsführender Gesellschafter Jörg Rinninger zu den Besonderheiten des Projektes: „Wir haben hier eine perfekte, quasi schlüsselfertige Fertigteillösung mit allen Einbauteilen (Stahlkonstruktion, Träger, Einlaufrechen, Abflussdrosselung) bis zum kleinsten Detail geliefert. Sämtliche Einbauteile wurden optimal aufeinander abgestimmt und größtenteils bei uns hergestellt. Dadurch erreichen wir eine hohe Passgenauigkeit und eine sehr hochwertige Ausführungsqualität. Auch das statische Konzept des Bauwerks, sowie die spezielle Gründung auf Pfählen, haben wir bereits von der Planung an mit begleitet. Die Bauteile wurden aus Hochleistungsbeton C 60/75 mit sehr geringer Wassereindringtiefe, hochwertigen Sichtbetonoberflächen und passend zu den speziellen Fußrohren DN 800 UHPC, welche ebenfalls auf eine Pfahlgründung aufgelagert wurden, gefertigt.“

Uwe Sturm ergänzt: „Dank der guten Unterstützung durch den Hersteller schon in der Planungsphase und einer perfekt abgestimmten Just-In-Time-Anlieferung, verlief die Montage reibungslos an nur einem Tag.“ In Zukunft bietet die neue Hochwasserentlastungsanlage beste Voraussetzungen, um kommenden Starkregenereignissen rund um den „Aufhofer Bach“ die gelbe Karte zu zeigen.

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